E-Fahrzeuge galten schon damals als überlegen

Schon Kaiser Wilhelm hatte Elektroautos in seinem Fuhrpark. Viele glauben, der Durchbruch der E-Mobilität stehe nun unmittelbar bevor. Es wäre nicht das erste Mal.

Hebel in die eine Richtung, Gas geben – das Auto fährt nach vorn. Hebel in die andere Richtung – es setzt zurück. Was heute technisch einfach anmutet, war vor rund 100 Jahren eine geniale Lösung für ein kleines Elektroauto mit einer Reichweite von 70 bis 100 Kilometern, den Stadtlieferwagen Hawa EM3 von 1922. Eine solche Strecke vor so langer Zeit, mit altertümlichen, schweren Blei-Akkus? Tatsächlich keine Seltenheit. Und schon damals war Reichweite das Zauberwort. Etwas, woran die frühen E-Autos letztlich scheiterten und was auch heute Sorgen bereitet.

Für den Hawa genügte die geringe Reichweite allemal. Nur noch zwei Exemplare des betagten E-Oldtimers existieren, sie wurden nur zwischen 1921 und 1923 gebaut: Einer steht heute im Historischen Museum in Hannover, der andere gehört dem Stromanbieter BS Energy in Braunschweig – und wird in Bockenem-Störy bei Hildesheim von Schraubern der Hanomag-Interessengemeinschaft auf Vordermann gebracht. Vorher diente er jahrelang als Theaterkulisse. Doch manche Autos schafften schon damals deutlich über 100 Kilometer, bei Testfahrten war auch noch wesentlich mehr drin.

Zukunft oder Vergangenheit? Man stelle sich nur einmal vor: Zahllose Autos auf den Straßen, sie beschleunigen, statt dröhnender Motoren hört man nichts. Elektroautos machen fast 40 Prozent des automobilen Verkehrs allein in New York aus, keine stinkenden Abgase, keine Dieselfahrverbote. Anderswo ist es ähnlich, die Elektroautos haben sich offensichtlich durchgesetzt – trotz aller Hindernisse etwa beim vergleichsweise mühsamen Laden. Doch eine Zukunftsvision ist das nicht. So war es vor über 100 Jahren. Bis die Verbrenner aufholten.

1931 verschwand Hawa vom Markt

In Störy hat der kleine E-Hawa jedenfalls Seltenheitswert. Der Verein ist spezialisiert auf Fahrzeuge und Maschinen von Hanomag – vom Auto bis zum Radlader. Seit 20 Jahren haben die Schrauber ihre Halle, und der Boden ist gewissermaßen historisch: 38.000 Steine aus dem früheren Hanomag-Werk in Hannover wurden verlegt.

Doch Hawa – ebenfalls mit Sitz in Hannover und aus dem Waggonbau kommend – ist interessant, wie Vereinsvorstand Horst-Dieter Görg meint. Schon 1931 verschwand die Firma vom Markt. Seinen ersten Hawa kaufte Görg von einem Sammler aus Australien. Heute steht das Zweisitzer-Cabrio im Museum.

Ladezeit ist benutzerfreundlich

Der kleine Transporter von BS Energy dagegen, ein 40-Volt-Wagen mit 1,6 PS und Kettenantrieb, steht bei den Schraubern. Unter der noch fehlenden Fronthaube ist es eng, darunter stecken 20 Batteriezellen für den Fahrbetrieb und eine 6-Volt-Batterie für die Beleuchtung.

Der Wagen habe kein Getriebe, aber drei Gänge, erklärt Görg: Über einen Walzenschalter bekommt der Motor erst die halbe, dann drei Viertel und schließlich die volle Energie. Bei Tempo 30 ist Schluss. Das Gussgehäuse für den Schalter musste ersetzt werden, wie der 60 Jahre alte Volks- und Betriebswirt erzählt. Die Ladezeit mit einem modernen Ladegerät sei benutzerfreundlich, nur zwei Stunden, sagt Elektriker Reinhard Koch. Bald kommt die erste Ausfahrt – anders als Verbrenner nicht laut brummend, sondern leise summend.

E-Fahrzeuge galten als überlegen

Vor 100 Jahren war die automobile Welt eben noch eine andere, E-Fahrzeuge wurden als überlegen angesehen, wie Branchenexperte Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, erklärt. Erst die Möglichkeit, auf längeren Strecken unterwegs zu sein, brachte den Ausschlag für die Verbrenner – und die Bequemlichkeit: Denn mit dem elektrischen Anlasser für Autos mit Verbrennungsmotor entfiel das lästige Kurbeln. Entscheidend damals wie heute seien Reichweite, Ladeinfrastruktur und Preise.

Für Alexander Kloss vom Automuseum PS Speicher im niedersächsischen Einbeck war die Blütezeit der frühen E-Autos etwa von 1915 bis 1920. In den USA habe es beispielsweise die Marke Detroit Electric gegeben – und mit einem Wagen dieser Marke von 1915 sei ein Team des PS Speichers im vergangenen Jahr von Einbeck nach Hildesheim und zurück gefahren. Das entspreche einer Strecke von etwa 100 Kilometern. „Heute schafft man das mit dem E-Up so eben. An den Reichweiten hat sich nicht so viel geändert“, sagt Kloss. Doch das erste deutsche E-Auto ist noch älter – das sogenannte Flocken-Auto von 1888. Die Probleme damals ähnelten den heutigen – wenige Lademöglichkeiten außerhalb der Städte.

So sieht Görg auch in der E-Mobilität „nicht das Allheilmittel. Das werde wieder abebben“, ist sich der 60-Jährige sicher. Stattdessen setzt er auf die Brennstoffe und auf Wasserstoff. Oder wird es ganz neue Konzepte geben? Schon 1906 knackte ein Dampfwagen die Marke von 200 Stundenkilometern, wie Görg erinnert: „Es ist völlig offen, was sich durchsetzt.“

Quelle: bizz-energy.com; Foto: CC BY-ND 2.0, Thomas Strünkelnberg, dpa

Klimawandel auf dem Acker

Die Land- und die Forstwirtschaft bekommen die Folgen des Klimawandels bereits deutlich zu spüren.

Ende April 2017: Während in Südbayern die Obstblüten bei Frost und Schneefall erfrieren, beklagen Landwirte in anderen Regionen Deutschlands die Trockenheit. Auf kommunaler Ebene ist teilweise schon im Gespräch, die Trinkwasserversorgung zu regulieren und beispielsweise die Bewässerung von Hausgärten zu untersagen. Das ist erst der Anfang. Der Klimawandel ist da, und Land- und Forstwirtschaft müssen sich darauf einstellen.

Auch wenn sich die Auswirkungen unterscheiden, die Folgen sind drastisch. Weltweit. Heute noch fruchtbare Gegenden drohen unfruchtbar zu werden. Anbaubedingungen verändern sich, Schädlinge breiten sich aus. Ex-tremwetterlagen sorgen zusätzlich für Unsicherheit. Nur, sich richtig darauf einzustellen, land- und forstwirtschaftliche Betriebe umzustellen, das ist gar nicht so einfach. So wird es in Deutschland zwar tendenziell im Laufe der Jahre wärmer, weiß Hans-Helmut Schmitt, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst: „Die Schwankung von Jahr zu Jahr bleibt aber hoch.“

Wärmster März seit Menschengedenken

Das heißt, Wetterextreme nehmen zu – und wechseln sich ab. Landwirte haben es schwer, sich dieser Entwicklung anzupassen. Das erste Halbjahr des Jahres 2016 war beispielsweise sehr nass, ab August war es trocken und heiß, erinnert sich Schmitt: „In 2017 haben wir den wärmsten März seit Menschengedenken erlebt, und es war in den meisten Teilen Deutschlands zu trocken.“ In Juli und August kam dann der Regen, und zwar gewaltig.

Für die Bauern wird es unter diesen Bedingungen zum Glücksspiel, ob sie mit der Wahl der Saaten für ihre Felder richtigliegen. Schon gibt es Überlegungen, künftig mehrere Pflanzen gleichzeitig auf ein Feld zu pflanzen. Dann setzt sich diejenige durch, für die im jeweiligen Jahr die besten Bedingungen geherrscht haben. In der Summe bedeutet das zwar weniger Ernte, aber auch keinen Totalausfall.

Pflanzen verändern sich

„Selbst, wenn eine Pflanze noch gedeiht, kann der Klimawandel ihre Eigenschaften beeinflussen“, gibt Schmitt zu bedenken. Das könnte beispielsweise bei Weizen bedeuten, dass man mit dem Mehl künftig nicht mehr wie gewohnt backen kann und dass sich der Gehalt der Proteine verändert. Die größte Herausforderung ist Schmitts Meinung nach, dass künftig weniger Wasser zur Verfügung stehen wird. Dieses Problem werde noch viel schwieriger zu meistern sein als die steigenden Temperaturen. „Wir müssen Kulturen züchten, die weniger Wasser benötigen und trotzdem ihre Eigenschaften beibehalten“, rät der Agrarmeteorologe.

Aber das dauert. Gentechnische Veränderungen lehnen die Konsumenten in vielen Ländern angesichts ungeklärter Risiken ab. Herkömmliche Zuchtverfahren benötigen beispielsweise für eine neue Kohlsorte zehn bis zwanzig Jahre, erläutern Züchter.

„Uns läuft die Zeit davon“

Das ist viel angesichts des rasanten Fortschritts des Klimawandels. „Uns läuft die Zeit davon“, warnt Schmitt. Gerade bei Obstbäumen und Weinreben benötigen die Betriebe bereits heute Pflanzen, die auch in 20 bis 30 Jahren noch mit den klimatischen Bedingungen zurechtkommen und Ertrag liefern. Das werden einige nicht schaffen. Gleiches gilt für Gemüse und Getreide. „Manche Kulturarten wird es in manchen Regionen nicht mehr geben, dafür werden sich vermutlich andere etablieren“, ist sich Pflanzenzüchter Sebastian Vornhecke sicher. Das klingt im ersten Moment so, als würden sich Anbauflächen nur verlagern. Tatsächlich besteht aber die Gefahr, dass die Anbauflächen für wichtige Grundnahrungsmittel gleichzeitig abnehmen.

Insgesamt steht Deutschland noch ziemlich gut da. Der Mittelmeerraum leidet bereits viel stärker. In Spanien, Griechenland, Türkei und Co. ist es schon deutlich trockener geworden. Süditalien hat nur noch wenig Wasser. Das wird für regionale Produkte wie Trauben zu einem Problem. Denn die benötigen nicht nur Sonne und Wärme, sondern eben auch ausreichend Wasser. Während in Norditalien die Feuerwehrleute damit beschäftigt sind, Folgen von Unwettern und heftigen Niederschlägen zu beseitigen, eilen ihre Kollegen im Süden von Waldbrand zu Waldbrand.

Wein aus Sylt könnte jenen aus Sizilien ersetzen

Deswegen baut das Weingut Balthasar Ress aus dem Rheingau auf der Nordseeinsel Sylt auf 3.000 Quadratmetern Wein an. Wein aus Sylt könnte den Wein aus Sizilien langfristig ersetzen. Ob das angesichts des steigenden Meeresspiegels auf lange Sicht eine gute Idee ist, ist allerdings fraglich.  Die gleichen Mengen können die Winzer dort ohnehin nicht anbauen, dafür ist die Insel zu klein.

Selbst wenn es den Südeuropäern gelingen sollte, ihre Produktion aufrecht zu erhalten, dann nur, wenn sie aufwendig bewässern. Das kostet, wird sich schnell auf die Preise auswirken – und ethische Diskussionen auslösen. So geschehen bei den kalifornischen Mandeln. Die haben einen hohen Wasserbedarf – doch Kalifornien musste in den vergangenen Jahren mehrere Dürreperioden durchstehen. Der hohe Wasserverbrauch stand in der Diskussion, erste Forderungen wurden laut, die Bewässerung zu verbieten. Die gleiche Gefahr besteht für die Anbaugebiete im Mittelmeerraum.

Risotto-Reis bedroht

Darüber hinaus könnten manche Produkte auch vom Markt verschwinden, weil sie an bestimmte Anbaugebiete gekoppelt sind und eine regionale Schutzbezeichnung haben. So der Riso Nano Vialone Veronese, kurz Vialone, ein beliebter Reis für Risotti. Er darf nur in der Po-Ebene angebaut werden. Und der Po wird in Spitzenzeiten zu 80 Prozent aus Gletschern gespeist. Die befinden sich jedoch wegen des Klimawandels auf dem Rückzug.

Sobald sie verschwunden sind, fehlt das Wasser in den landwirtschaftlich geprägten Ebenen, warnt die Alpenkonvention, ein Zusammenschluss der Alpenstaaten mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung und des Schutzes der Gebirgskette: „Wenn die Gletscher schrumpfen, wird sich der Sommerabfluss in den heute von Gletschern direkt gespeisten Einzugsgebieten um bis zu 50 Prozent verringern.“ Dann fehlt das Wasser für den Reisanbau.

Bauern bringen sich aus Verzweiflung um

Extreme Folgen hat der Klimawandel auch für die Landwirte in Indien. Das geht so weit, dass Bauern sich vor Verzweiflung umbringen, weil die Ernte ausbleibt oder zu gering ausfällt. Rund 59.000 Selbstmorde von Landwirten in den vergangenen 30 Jahren in Indien stünden in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel, hat die Agrowissenschaftlerin Tamma Carlton von der Berkeley-Universität herausgefunden: „Das ist kein Problem künftiger Generationen, das ist genau jetzt ein Problem.“

Das ist nur ein besonders drastisches Beispiel dafür, dass der Klimawandel schon heute Tatsache ist. Tatsächlich spüren auch Importeure und Hersteller von Lebensmitteln bereits seine Effekte. Die Unwägbarkeiten würden statistisch betrachtet immer größer, weiß Gepa-Geschäftsführer Peter Schaumberger. Langfristig könnte das auch für die Bevölkerung in Deutschland ein Umdenken nötig machen. Im Westen sei man gewohnt, dass immer alles zu jeder Zeit verfügbar sei, sagt Schaumberger: „Mal ganz plakativ gesprochen, kann man vielleicht Kaffee künftig nur noch kaufen, wenn er da ist.“

Schädlinge verbreiten sich

Zumal gerade beim Kaffee bereits heute die Folgen des Klimawandels deutlich spürbar sind. Denn es geht nicht nur um Wasser und Hitze. Die Erwärmung der Erde führt auch dazu, dass Schädlinge und Krankheiten in immer höhere Lagen und in bislang für sie zu kalte Regionen aufsteigen. „Der Kaffeerost, eine Pilzkrankheit, dringt mittlerweile in Plantagen vor, die bislang wegen ihrer Höhenlage für ihn unerreichbar waren“, weiß Jan Kühn, Sprecher beim Kaffee-, Tee-, und Gewürz-Spezialisten Lebensbaum. Zwar können die Kaffeebauern sich noch weiter nach oben zurückziehen. Aber nicht beliebig weit.

Große Konzerne sorgen mittlerweile ebenso vor wie mittelständische Betriebe. So fördert beispielsweise Nestlé die Forschung und Entwicklung für „leistungsfähiges Pflanzenmaterial für höhere Schädlings- und Trockenheitsresistenz“. Denn das Unternehmen braucht Rohstoffe. „Es zeichnet sich ab, dass bestimmte Rohstoffe wie Kakao oder Kaffee, aber auch verschiedene Getreide in wichtigen Anbauregionen zukünftig verstärkt auf zeitweise Bewässerung angewiesen sein werden, verbunden mit Risiken für die jeweiligen Wassereinzugsgebiete“, sagt Achim Drewes, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Nestlé Deutschland.

Gleichzeitig diversifiziert der Konzern Anbau und Einkauf stärker, sowohl in Bezug auf die Herkunftsregionen als auch auf Rohstoffe und Pflanzen an sich. Damit steht er nicht allein. Diversifikation heißt ein Schlagwort, das die Branche umtreibt. Wie Investoren an der Börse Aktien von vielen verschiedenen Unternehmen kaufen, gilt es, die Rohstoffe von verschiedenen Lieferanten zu beziehen. „Um das Risiko der Folgen von Ernteausfällen zu reduzieren, setzen wir auf Anbaupartner aus verschiedenen Regionen und Ländern“, erklärt Julia Granobs, Sprecherin des Saftproduzenten Voelkel.

Ersatz für die Fichte

Einen Vorteil hat dabei die Biobranche gegenüber der konventionellen Lebensmittelindustrie, sagt Barbara Altmann, Leiterin der strategischen Rohstoffsicherung bei Rapunzel: „Böden, die ökologisch bewirtschaftet werden, haben eine bessere Wasserkapazität, das heißt, sie können Wasser besser halten – das ist wichtig, um Trockenzeiten besser zu überstehen.“

Nicht nur der Lebensmittel- sondern auch der Kosmetik-Sektor ist betroffen. So berichtet der Seifenhersteller Najel von Fliegeneiern auf Oliven und einem Minus bei der Olivenernte von 20 bis 30 Prozent. Viel stärker gefährdet sei aber der Lorbeer, der für die Produktion benötigt wird, erklärt Firmenchef Manar Najjar: „Die Pflanzen stehen alle in einem Tal, wenn da eine Krankheit kommt oder eine Dürre, gehen sie ein.“

Neue Arten breiten sich aus

Und die Wahrscheinlichkeit steigt. Neobiota heißen Pflanzen und Tiere, die nach der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 in Regionen gelangten, in denen sie zuvor nicht heimisch waren. Kürbisse zählen hierzulande dazu, ebenso die Rosskastanie. Die meisten sind zwar unschädlich, in den vergangenen Jahren kommen aber angesichts der Erderwärmung immer mehr Schädlinge ins Land. „Die Veränderungen der Umweltbedingungen ermöglichen die Ausbreitung neuer Arten in unseren Wäldern“, warnt Thomas Immler, Leiter des Sachgebiets Waldschutz bei der bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Der Sibirisch-nordasiatische Nutzholzborkenkäfer, sowie der Schwarze Nutzholzborkenkäfer gehören dazu.

Und die Forstbesitzer kämpfen nicht nur gegen Schädlinge. Weniger Wasser, höhere Temperaturen und Stürme machen ihnen das Leben schwer und verändern langfristig das Bild der Wälder. Denn nicht alle Arten passen sich schnell genug an den Wandel an. Langfristig wird es zu Verschiebungen kommen. Die Branche sucht bereits nach Ersatz, beispielsweise für die Fichte. Denn die gilt als sehr anfällig für Klimaänderungen. Die Rotbuche könnte sie ersetzen, ebenso die aus Nordamerika eingeführte Douglasie.

Gastbaumarten bergen Risiken

Gastbaumarten – so nennen Forstwirte Bäume, die in Europa nicht heimisch sind – bergen jedoch auch Risiken. Denn die sind oft anfälliger für heimische Schädlinge. So zeigten Versuche mit verschiedenen Arten in der Schweiz bei der Libanonzeder eine Mortalitätsrate von 80 Prozent, bei Bornmüllers Tanne rund 60 Prozent. Andere Baumsorten erwiesen sich als deutlich Erfolg versprechender. Aber die Forstwirtschaft ist ein langwieriges Geschäft. Welche Sorten sinnvoll sind, wird sich endgültig erst in Jahrzehnten, teils erst nach mehr als 100 Jahren zeigen. So lange kann es dauern, bis sich die Gastbaumarten das erste Mal spontan selbst vermehren.

Gleichzeitig stellen sie auch ein Risiko dar. „Eines der wichtigsten Argumente gegen Gastbaumarten ist ihr oft geringerer Wert als Habitat für einheimische Lebewesen“, sagt Forstingenieur Peter Brang von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. So fänden Vögel in reinen Douglasienbeständen in Europa weniger Nahrung als in heimischen Gehölzen.

Vegetationszonen im Wandel

Gerade die Forstwirtschaft zeigt aber auch, dass ein Argument entkräftet ist, das diejenigen gerne verwenden, die den Klimawandel nicht als bedrohlich ansehen: Die Natur werde sich schon anpassen, in den Alpen beispielsweise verlagerten sich die Vegetationszonen einfach weiter nach oben.

Dazu ist die Natur jedoch zu komplex. So breitet sich die Zirbelkiefer, die immerhin bis zu 1.000 Jahre alt werden kann, nicht selbst aus. Der Baum markiert in vielen Bergregionen die Baumgrenze. Er müsste angesichts des Klimawandels weiter oben angesiedelt werden. Forscher der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft haben jetzt herausgefunden, dass er das nicht alleine kann. Denn den Samen verteilt der Tannenhäher, indem er die Nüsschen der Kiefer als Futtervorrat versteckt. Nur sieht der Vogel bislang keinen Grund, ebenfalls höher zu wandern.

Von unten drängen aber Baumarten nach, denen die Bedingungen in der Höhe bislang zu rau waren. Sollten sie die Zirbelkiefer verdrängen, besteht keine Ausweichmöglichkeit. Damit stirbt nicht nur eine Baumsorte aus, sondern auch eine Tradition. Die Zirbenstube, die gute Stube alpenländischer Häuser, ist dann nur noch im Museum zu sehen. Doch für solche Besuche werden die Menschen angesichts ihres Kampfes um Nahrung dann ohnehin keine Zeit mehr haben.

Quelle: http://bizz-energy.com, 29.11.2017

„100% Strom aus Erneuerbaren Energien ist machbar“

Energie schon heute ohne Emissionen machbar

Neue Studie: 100% Strom aus Erneuerbaren Energien weltweit ist machbar

… und kostengünstiger als das konventionelle Stromsystem von heute.

Eine weltweite Energiewende hin zu 100% Erneuerbarer Stromversorgung ist nicht mehr nur eine reine Zukunftsvision, sondern greifbare Realität, welche durch die bahnbrechende neue Studie der Lappeenranta University of Technology (LUT) zusammen mit der Energy Watch Group (EWG), präsentiert wird. Die Studie wurde am 8. November 2017 während des Global Renewable Energy Solution Showcase Events (GRESS) im Rahmen der Klimakonferenz der Vereinten Nationen COP23 in Bonn präsentiert.

Die Studie liefert aufschlussreiche Ergebnisse: Ein weltweites Elektrizitätssystem, das komplett auf Erneuerbaren Energien basiert, schafft Versorgungssicherheit zu jeder Stunde über das komplette Jahr und dabei auch noch kosteneffizienter als das aktuelle Stromsystem, welches hauptsächlich auf fossilen Brennstoffen und Kernkraft basiert.

Das Potenzial Erneuerbarer Energien und die dafür notwendigen Technologien, z.B. Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Elektrizität effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Strombedarf bis 2050 ganzjährig zu jeder Jahresstunde zu decken. Die Simulation des weltweiten Energiesektors in dieser Studie wurde bis 2050 durchgeführt. Es ist jedoch, unter günstigen politischen Rahmenbedingungen möglich, dass die Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren Energien schon vor 2050 erreicht werden kann. Die mittleren Stromkosten für 100% Erneuerbare Energie im globalen Durchschnitt belaufen sich im Jahr 2050 auf 52 €/MWh (dies beinhaltet Kosten für Abregelungen und Speicherung, sowie Netzkosten), im Vergleich dazu beliefen sich die mittleren globalen Stromkosten im Jahr 2015 auf 70 €/MWh.

„Eine komplette Dekarbonisierung des Elektrizitätssektors bis zum Jahr 2050 ist umsetzbar und dabei kostengünstiger als das heutige Stromsystem. Die Energiewende ist nicht länger eine Frage von technologischer Umsetzbarkeit oder wirtschaftlicher Rentabilität, sondern eine Frage des politischen Willens“ so Christian Breyer, Hauptautor der Studie, LUT Professor für Solarwirtschaft und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Energy Watch Group.

Eine Wende hin zu 100% Erneuerbaren Energien würde die Treibhausgasemissionen im Stromsektor auf null reduzieren und die Energieverluste im Stromsystem drastisch verringern. Zudem würde es 36 Mio. Arbeitsplätze geben, 17 Mio. mehr als heutzutage im Stromsektor beschäftigt sind.

„Es gibt keinen Grund auch nur einen weiteren Dollar in fossile oder nukleare Energiegewinnung zu investieren.“ sagt Energy Watch Group Präsident Hans-Josef Fell. „Erneuerbare Energie bietet eine kosteneffiziente Stromversorgung. Alle Investitionspläne in Stromerzeugung mit Kohle, Kernkraft, Erdgas oder Erdöl müssen eingestellt werden und sollten umgelenkt werden in die Bereiche Erneuerbarer Energie und die dafür notwendige Infrastruktur. Alles andere würde nur unnötige Kosten bedeuten und die Klimaerwärmung weiter verschlimmern.“

Die Schlüsselerkenntnisse der Studie:

  • Das Potenzial Erneuerbarer Energien und der Technologien dahinter, inklusive Stromspeicherungssysteme, sind in der Lage Strom effizient und sicher zu erzeugen und damit den weltweiten Energiebedarf bis 2050 zu decken. Es wird prognostiziert, dass die Weltbevölkerung von 7,3 Mrd. auf 9,7 Mrd. Menschen anwächst. Daher wird auch der weltweite Energiebedarf im Energiesektor von 24.310 TWh im Jahr 2015 auf ungefähr 48.800 TWh im Jahr 2050 ansteigen.
  • Die durchschnittlichen Stromkosten (LCOE) für 100% Erneuerbare Energien belaufen sich auf 52 €/MWh im Jahr 2050 (diese beinhalten Kosten für Abregelungen, Speicher- und Netzkosten), während es im Jahr 2015 noch 70 €/MWh waren.
  • Aufgrund von stark fallenden Kosten werden Photovoltaik und Batteriespeicherung die wichtigsten Pfeiler des Erneuerbaren Energiesystems sein. Photovoltaik wird 69%, Windenergie 18%, Wasserkraft 8% und Bioenergie 2% des globalen Strommix im Jahr 2050 ausmachen.
  • Bis 2030 wird Windenergie 32% des Strombedarfs weltweit decken. Jedoch wird nach 2030 Photovoltaik wettbewerbsfähiger. Daher steigt der prozentuale Anteil von Photovoltaik im globalen Stromsektor von 37% im Jahr 2030 auf 69% im Jahr 2050.
  • Batterien stellen die Schlüsseltechnologie für Photovoltaik dar. 31% des globalen Strombedarfs im Jahr 2050 wird von Speichern abgedeckt, wovon wiederum 95% durch Batteriespeicher bereitgestellt wird. Batteriespeicher werden vor allem die täglichen Schwankungen ausgleichen, während Gas, aus Erneuerbaren Energien erzeugt, die saisonale Speicherung decken wird.
  • Weltweit werden sich die Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, von ungefähr 11 GtCO2eq im Jahr 2015 hin zur emissionsfreien Energiegewinnung bis 2050 oder sogar früher, während die durchschnittlichen Stromkosten im Stromversorgungssystem sinken.
  • Die weltweite Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren Energien schafft 36 Mio. Arbeitsplätze bis 2050, im Vergleich zu 19 Mio. Arbeitsplätzen im Stromsektor im Jahr 2015.
  • Der Gesamtverlust eines 100% Erneuerbaren Energiesystems beläuft sich auf rund 26% des gesamten Endenergiebedarfs. Im Vergleich dazu weist das aktuelle Stromsystem einen Verlust von rund 58% der Primärenergie auf.

Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ wird tiefgreifende Auswirkungen für politische Entscheidungsträger und Politiker weltweit haben. Die Studie widerlegt ein oft von Kritikern der Energiewende zitiertes Argument, dass Erneuerbare Energien nicht in der Lage wären Strom ganzjährig zu jeder Tageszeit zu liefern.

Die verwendete Modellierung, entwickelt von der LUT, ist bislang einzigartig und berechnet den kostenoptimierten Mix von Technologien auf Grundlage von lokal verfügbaren Erneuerbaren Energieressourcen, wobei die Welt in 145 Regionen eingeteilt ist. Demnach wird ein kosteneffizienterer Pfad für eine Energieversorgung in jeder der 145 Regionen berechnet auf Grundlage einer stündlichen Auflösung für ein gesamtes Jahr.

Das Szenario der weltweiten Energiewende wird in 5-Jahres Abschnitten für den Zeitraum von 2015 bis 2050 berechnet. Die Ergebnisse wurden dann in neun Hauptregionen der Welt zusammengefasst, bestehend aus: Europa, Eurasien, Mittlerer Osten und Nordafrika, Sub-Sahara Afrika, Südasien, Nordostasien, Südostasien, Nordamerika und Südamerika. 

thermocontrol-gmbh@sonnenseite.com:
Die Studie „Globales Energiesystem basierend auf 100% Erneuerbarer Energie – Stromsektor“ ist durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) und die Stiftung Mercator kofinanziert. 

Der Ärger der Mieter ist berechtigt

Viele fühlen sich von den Heizkostenablesern geschröpft. Das Kartellamt moniert jetzt die Marktmacht der Anbieter – und will, dass der Gesetzgeber handelt. /// 4.5.2017, von Klaus Max Smolka für FAZ.net

Mieter und Eigentümer kennen die Zettel an der Haustür: Ableser kündigen einmal im Jahr Besuch an, um den Heizmittelverbrauch zu erfassen, meist sind es die Unternehmen Techem oder Ista. Das Bundeskartellamt fordert nach einer Analyse der Branche nun den Gesetzgeber auf, für mehr Wettbewerb zu sorgen und damit mieterfreundlicher zu werden. „Nach den Erkenntnissen der Sektoruntersuchung ist davon auszugehen, dass hier ein wettbewerbsloses Oligopol vorliegt, dem zumindest die beiden Marktführer, möglicherweise aber auch weitere der größten fünf Anbieter angehören“, schreibt das Amt in seinem Bericht. Kritisch bewertet es auch, dass der Mieter zwar zahlt, aber nicht über die Preise verhandeln kann.

Die Bonner Behörde veröffentlichte am Donnerstag den Befund der Sektoruntersuchung, welche sie 2015 nach mehreren Berichten der F.A.Z. und der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung über das Gebaren der Branche eingeleitet hatte. „Eine Belebung des Wettbewerbs kann im Ergebnis dazu führen, dass die Verbraucher weniger bezahlen müssen. Wir haben dazu in unserem Bericht Vorschläge für gesetzliche Maßnahmen formuliert“, teilte Mundt mit. „Außerdem behalten wir uns vor, marktabschottende Verhaltensweisen der Anbieter genauer zu prüfen.“

„Die Preissensibiltät der Auftraggeber ist nur schwach ausgeprägt“

Die Ablesedienste erfassen in Mehrparteienhäusern den Heizenergie- und oft auch den Wasserverbrauch je Wohnung. Diese „Submetering“-Branche steht aus mehreren Gründen in der Kritik: Zum einen beherrschen in Deutschland wenige Anbieter den Markt. Zum anderen können die Ableser die schwache Position jener ausnutzen, die am Ende zahlen. Denn die Gesellschaften verhandeln mit dem Vermieter oder Hausverwalter – die können sich das Geld von den Bewohnern zurückholen. Drittens wird der Wechsel von einem Anbieter zum anderen teilweise mit technischen Mitteln erschwert.

Das Kartellamt ging auf alle Punkte ein. Nach seiner Erhebung erzielten im Jahr 2014 Ista und Techem hierzulande zusammen 50 bis 60 Prozent des Branchenumsatzes, die größten fünf Anbieter 70 bis 80 Prozent. Auch das Dreiecksverhältnis in der Geschäftsbeziehung wird beleuchtet. „Es ist ein Grundproblem, dass die Kosten für das Ablesen in der Regel vom Mieter getragen werden, die Auswahl und die Beauftragung des Ablesedienstes hingegen der Vermieter trifft“, sagte Mundt.

„Die Preissensibiltät der Auftraggeber ist nur schwach ausgeprägt“, heißt es. „Wollte man die hieraus resultierenden Hindernisse für mehr Wettbewerb vollständig abbauen, müsste man dieses Dreiecksverhältnis als solches in Frage stellen und die Kosten für das Submetering dem Auftraggeber des Submetering-Unternehmens auferlegen.“

1,47 Milliarden Euro Umsatz

Schließlich bauten die Unternehmen Kunden Hürden für den Anbieterwechsel auf, weil sie jeweils spezifische Ablesegeräte verwendeten, befinden die Wettbewerbshüter: „Der Einsatz proprietärer Zählersysteme, die nicht mit Zählersystemen von Wettbewerbern kompatibel sind, ist aus wettbewerblicher Sicht kritisch zu bewerten.“ Weiterhin werde der Wettbewerb durch die langen tatsächlichen Vertragslaufzeiten gehemmt, die etwa durch unterschiedliche Eichfristen entstünden.

Einen bisher kaum beachteten Aspekt nennt das Kartellamt in dem 75 Seiten starken Bericht auch noch: „Bei Techem und Ista bestehen – im weiteren Sinne – Verflechtungen mit anderen Unternehmen.“ Beispiel: Die Immobilienfirma LEG sei im Beirat von Techem vertreten.

Die Branche erzielte den Angaben zufolge 2014 in Deutschland rund 1,47 Milliarden Euro Umsatz, im Schnitt jährlich 74 Euro je Wohneinheit. Branchenkenner sehen das als einen Vorteil für die Anbieter: Kaum ein Mieter geht wegen solcher Beträge auf die Barrikaden – aber die Masse macht das Geschäft. „Die Renditen der Submetering-Unternehmen sind verhältnismäßig hoch“, so das Kartellamt. Dem Gesetzgeber empfiehlt die Behörde nun, Zähler kompatibel zu machen, Eichfristen zu vereinheitlichen und mehr Transparenz für die Wohnungsmieter zu schaffen. Geschieht nicht genug, will sie selbst einschreiten.

Techem will sich mit Befunden auseinandersetzen

Pikant: Die Eigentümer von Techem und Ista, in beiden Fällen Finanzinvestoren, haben die Unternehmen zum Verkauf vorbereitet und dafür schon Investmentbanken mandatiert. Sie wollten aber, wie zu hören war, erst den Ausgang der Sektoruntersuchung abwarten.

Die könnte nun auf den Preis schlagen. Denn Kaufinteressenten dürften geltend machen, dass gesetzliche Maßnahmen drohen, die den Wettbewerb erhöhen und damit die Margen beeinträchtigen könnten. Soeben ist der Zählerhersteller Qundis an eine Investorengruppe um die Ablesefirma Kalorimeta verkauft worden. Auch der Anbieter Landis+Gyr soll zum Verkauf stehen.Techem kündigte am Donnerstag an, sich ernsthaft mit den Befunden des Bundeskartellamts auseinanderzusetzen. Ista sprach von „Anregungen für eine noch verbraucherfreundlichere Ausgestaltung des Marktes“.