Klimawandel auf dem Acker

Die Land- und die Forstwirtschaft bekommen die Folgen des Klimawandels bereits deutlich zu spüren.

Ende April 2017: Während in Südbayern die Obstblüten bei Frost und Schneefall erfrieren, beklagen Landwirte in anderen Regionen Deutschlands die Trockenheit. Auf kommunaler Ebene ist teilweise schon im Gespräch, die Trinkwasserversorgung zu regulieren und beispielsweise die Bewässerung von Hausgärten zu untersagen. Das ist erst der Anfang. Der Klimawandel ist da, und Land- und Forstwirtschaft müssen sich darauf einstellen.

Auch wenn sich die Auswirkungen unterscheiden, die Folgen sind drastisch. Weltweit. Heute noch fruchtbare Gegenden drohen unfruchtbar zu werden. Anbaubedingungen verändern sich, Schädlinge breiten sich aus. Ex-tremwetterlagen sorgen zusätzlich für Unsicherheit. Nur, sich richtig darauf einzustellen, land- und forstwirtschaftliche Betriebe umzustellen, das ist gar nicht so einfach. So wird es in Deutschland zwar tendenziell im Laufe der Jahre wärmer, weiß Hans-Helmut Schmitt, Agrarmeteorologe beim Deutschen Wetterdienst: „Die Schwankung von Jahr zu Jahr bleibt aber hoch.“

Wärmster März seit Menschengedenken

Das heißt, Wetterextreme nehmen zu – und wechseln sich ab. Landwirte haben es schwer, sich dieser Entwicklung anzupassen. Das erste Halbjahr des Jahres 2016 war beispielsweise sehr nass, ab August war es trocken und heiß, erinnert sich Schmitt: „In 2017 haben wir den wärmsten März seit Menschengedenken erlebt, und es war in den meisten Teilen Deutschlands zu trocken.“ In Juli und August kam dann der Regen, und zwar gewaltig.

Für die Bauern wird es unter diesen Bedingungen zum Glücksspiel, ob sie mit der Wahl der Saaten für ihre Felder richtigliegen. Schon gibt es Überlegungen, künftig mehrere Pflanzen gleichzeitig auf ein Feld zu pflanzen. Dann setzt sich diejenige durch, für die im jeweiligen Jahr die besten Bedingungen geherrscht haben. In der Summe bedeutet das zwar weniger Ernte, aber auch keinen Totalausfall.

Pflanzen verändern sich

„Selbst, wenn eine Pflanze noch gedeiht, kann der Klimawandel ihre Eigenschaften beeinflussen“, gibt Schmitt zu bedenken. Das könnte beispielsweise bei Weizen bedeuten, dass man mit dem Mehl künftig nicht mehr wie gewohnt backen kann und dass sich der Gehalt der Proteine verändert. Die größte Herausforderung ist Schmitts Meinung nach, dass künftig weniger Wasser zur Verfügung stehen wird. Dieses Problem werde noch viel schwieriger zu meistern sein als die steigenden Temperaturen. „Wir müssen Kulturen züchten, die weniger Wasser benötigen und trotzdem ihre Eigenschaften beibehalten“, rät der Agrarmeteorologe.

Aber das dauert. Gentechnische Veränderungen lehnen die Konsumenten in vielen Ländern angesichts ungeklärter Risiken ab. Herkömmliche Zuchtverfahren benötigen beispielsweise für eine neue Kohlsorte zehn bis zwanzig Jahre, erläutern Züchter.

„Uns läuft die Zeit davon“

Das ist viel angesichts des rasanten Fortschritts des Klimawandels. „Uns läuft die Zeit davon“, warnt Schmitt. Gerade bei Obstbäumen und Weinreben benötigen die Betriebe bereits heute Pflanzen, die auch in 20 bis 30 Jahren noch mit den klimatischen Bedingungen zurechtkommen und Ertrag liefern. Das werden einige nicht schaffen. Gleiches gilt für Gemüse und Getreide. „Manche Kulturarten wird es in manchen Regionen nicht mehr geben, dafür werden sich vermutlich andere etablieren“, ist sich Pflanzenzüchter Sebastian Vornhecke sicher. Das klingt im ersten Moment so, als würden sich Anbauflächen nur verlagern. Tatsächlich besteht aber die Gefahr, dass die Anbauflächen für wichtige Grundnahrungsmittel gleichzeitig abnehmen.

Insgesamt steht Deutschland noch ziemlich gut da. Der Mittelmeerraum leidet bereits viel stärker. In Spanien, Griechenland, Türkei und Co. ist es schon deutlich trockener geworden. Süditalien hat nur noch wenig Wasser. Das wird für regionale Produkte wie Trauben zu einem Problem. Denn die benötigen nicht nur Sonne und Wärme, sondern eben auch ausreichend Wasser. Während in Norditalien die Feuerwehrleute damit beschäftigt sind, Folgen von Unwettern und heftigen Niederschlägen zu beseitigen, eilen ihre Kollegen im Süden von Waldbrand zu Waldbrand.

Wein aus Sylt könnte jenen aus Sizilien ersetzen

Deswegen baut das Weingut Balthasar Ress aus dem Rheingau auf der Nordseeinsel Sylt auf 3.000 Quadratmetern Wein an. Wein aus Sylt könnte den Wein aus Sizilien langfristig ersetzen. Ob das angesichts des steigenden Meeresspiegels auf lange Sicht eine gute Idee ist, ist allerdings fraglich.  Die gleichen Mengen können die Winzer dort ohnehin nicht anbauen, dafür ist die Insel zu klein.

Selbst wenn es den Südeuropäern gelingen sollte, ihre Produktion aufrecht zu erhalten, dann nur, wenn sie aufwendig bewässern. Das kostet, wird sich schnell auf die Preise auswirken – und ethische Diskussionen auslösen. So geschehen bei den kalifornischen Mandeln. Die haben einen hohen Wasserbedarf – doch Kalifornien musste in den vergangenen Jahren mehrere Dürreperioden durchstehen. Der hohe Wasserverbrauch stand in der Diskussion, erste Forderungen wurden laut, die Bewässerung zu verbieten. Die gleiche Gefahr besteht für die Anbaugebiete im Mittelmeerraum.

Risotto-Reis bedroht

Darüber hinaus könnten manche Produkte auch vom Markt verschwinden, weil sie an bestimmte Anbaugebiete gekoppelt sind und eine regionale Schutzbezeichnung haben. So der Riso Nano Vialone Veronese, kurz Vialone, ein beliebter Reis für Risotti. Er darf nur in der Po-Ebene angebaut werden. Und der Po wird in Spitzenzeiten zu 80 Prozent aus Gletschern gespeist. Die befinden sich jedoch wegen des Klimawandels auf dem Rückzug.

Sobald sie verschwunden sind, fehlt das Wasser in den landwirtschaftlich geprägten Ebenen, warnt die Alpenkonvention, ein Zusammenschluss der Alpenstaaten mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung und des Schutzes der Gebirgskette: „Wenn die Gletscher schrumpfen, wird sich der Sommerabfluss in den heute von Gletschern direkt gespeisten Einzugsgebieten um bis zu 50 Prozent verringern.“ Dann fehlt das Wasser für den Reisanbau.

Bauern bringen sich aus Verzweiflung um

Extreme Folgen hat der Klimawandel auch für die Landwirte in Indien. Das geht so weit, dass Bauern sich vor Verzweiflung umbringen, weil die Ernte ausbleibt oder zu gering ausfällt. Rund 59.000 Selbstmorde von Landwirten in den vergangenen 30 Jahren in Indien stünden in direktem Zusammenhang mit dem Klimawandel, hat die Agrowissenschaftlerin Tamma Carlton von der Berkeley-Universität herausgefunden: „Das ist kein Problem künftiger Generationen, das ist genau jetzt ein Problem.“

Das ist nur ein besonders drastisches Beispiel dafür, dass der Klimawandel schon heute Tatsache ist. Tatsächlich spüren auch Importeure und Hersteller von Lebensmitteln bereits seine Effekte. Die Unwägbarkeiten würden statistisch betrachtet immer größer, weiß Gepa-Geschäftsführer Peter Schaumberger. Langfristig könnte das auch für die Bevölkerung in Deutschland ein Umdenken nötig machen. Im Westen sei man gewohnt, dass immer alles zu jeder Zeit verfügbar sei, sagt Schaumberger: „Mal ganz plakativ gesprochen, kann man vielleicht Kaffee künftig nur noch kaufen, wenn er da ist.“

Schädlinge verbreiten sich

Zumal gerade beim Kaffee bereits heute die Folgen des Klimawandels deutlich spürbar sind. Denn es geht nicht nur um Wasser und Hitze. Die Erwärmung der Erde führt auch dazu, dass Schädlinge und Krankheiten in immer höhere Lagen und in bislang für sie zu kalte Regionen aufsteigen. „Der Kaffeerost, eine Pilzkrankheit, dringt mittlerweile in Plantagen vor, die bislang wegen ihrer Höhenlage für ihn unerreichbar waren“, weiß Jan Kühn, Sprecher beim Kaffee-, Tee-, und Gewürz-Spezialisten Lebensbaum. Zwar können die Kaffeebauern sich noch weiter nach oben zurückziehen. Aber nicht beliebig weit.

Große Konzerne sorgen mittlerweile ebenso vor wie mittelständische Betriebe. So fördert beispielsweise Nestlé die Forschung und Entwicklung für „leistungsfähiges Pflanzenmaterial für höhere Schädlings- und Trockenheitsresistenz“. Denn das Unternehmen braucht Rohstoffe. „Es zeichnet sich ab, dass bestimmte Rohstoffe wie Kakao oder Kaffee, aber auch verschiedene Getreide in wichtigen Anbauregionen zukünftig verstärkt auf zeitweise Bewässerung angewiesen sein werden, verbunden mit Risiken für die jeweiligen Wassereinzugsgebiete“, sagt Achim Drewes, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei Nestlé Deutschland.

Gleichzeitig diversifiziert der Konzern Anbau und Einkauf stärker, sowohl in Bezug auf die Herkunftsregionen als auch auf Rohstoffe und Pflanzen an sich. Damit steht er nicht allein. Diversifikation heißt ein Schlagwort, das die Branche umtreibt. Wie Investoren an der Börse Aktien von vielen verschiedenen Unternehmen kaufen, gilt es, die Rohstoffe von verschiedenen Lieferanten zu beziehen. „Um das Risiko der Folgen von Ernteausfällen zu reduzieren, setzen wir auf Anbaupartner aus verschiedenen Regionen und Ländern“, erklärt Julia Granobs, Sprecherin des Saftproduzenten Voelkel.

Ersatz für die Fichte

Einen Vorteil hat dabei die Biobranche gegenüber der konventionellen Lebensmittelindustrie, sagt Barbara Altmann, Leiterin der strategischen Rohstoffsicherung bei Rapunzel: „Böden, die ökologisch bewirtschaftet werden, haben eine bessere Wasserkapazität, das heißt, sie können Wasser besser halten – das ist wichtig, um Trockenzeiten besser zu überstehen.“

Nicht nur der Lebensmittel- sondern auch der Kosmetik-Sektor ist betroffen. So berichtet der Seifenhersteller Najel von Fliegeneiern auf Oliven und einem Minus bei der Olivenernte von 20 bis 30 Prozent. Viel stärker gefährdet sei aber der Lorbeer, der für die Produktion benötigt wird, erklärt Firmenchef Manar Najjar: „Die Pflanzen stehen alle in einem Tal, wenn da eine Krankheit kommt oder eine Dürre, gehen sie ein.“

Neue Arten breiten sich aus

Und die Wahrscheinlichkeit steigt. Neobiota heißen Pflanzen und Tiere, die nach der Entdeckung Amerikas im Jahr 1492 in Regionen gelangten, in denen sie zuvor nicht heimisch waren. Kürbisse zählen hierzulande dazu, ebenso die Rosskastanie. Die meisten sind zwar unschädlich, in den vergangenen Jahren kommen aber angesichts der Erderwärmung immer mehr Schädlinge ins Land. „Die Veränderungen der Umweltbedingungen ermöglichen die Ausbreitung neuer Arten in unseren Wäldern“, warnt Thomas Immler, Leiter des Sachgebiets Waldschutz bei der bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Der Sibirisch-nordasiatische Nutzholzborkenkäfer, sowie der Schwarze Nutzholzborkenkäfer gehören dazu.

Und die Forstbesitzer kämpfen nicht nur gegen Schädlinge. Weniger Wasser, höhere Temperaturen und Stürme machen ihnen das Leben schwer und verändern langfristig das Bild der Wälder. Denn nicht alle Arten passen sich schnell genug an den Wandel an. Langfristig wird es zu Verschiebungen kommen. Die Branche sucht bereits nach Ersatz, beispielsweise für die Fichte. Denn die gilt als sehr anfällig für Klimaänderungen. Die Rotbuche könnte sie ersetzen, ebenso die aus Nordamerika eingeführte Douglasie.

Gastbaumarten bergen Risiken

Gastbaumarten – so nennen Forstwirte Bäume, die in Europa nicht heimisch sind – bergen jedoch auch Risiken. Denn die sind oft anfälliger für heimische Schädlinge. So zeigten Versuche mit verschiedenen Arten in der Schweiz bei der Libanonzeder eine Mortalitätsrate von 80 Prozent, bei Bornmüllers Tanne rund 60 Prozent. Andere Baumsorten erwiesen sich als deutlich Erfolg versprechender. Aber die Forstwirtschaft ist ein langwieriges Geschäft. Welche Sorten sinnvoll sind, wird sich endgültig erst in Jahrzehnten, teils erst nach mehr als 100 Jahren zeigen. So lange kann es dauern, bis sich die Gastbaumarten das erste Mal spontan selbst vermehren.

Gleichzeitig stellen sie auch ein Risiko dar. „Eines der wichtigsten Argumente gegen Gastbaumarten ist ihr oft geringerer Wert als Habitat für einheimische Lebewesen“, sagt Forstingenieur Peter Brang von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft. So fänden Vögel in reinen Douglasienbeständen in Europa weniger Nahrung als in heimischen Gehölzen.

Vegetationszonen im Wandel

Gerade die Forstwirtschaft zeigt aber auch, dass ein Argument entkräftet ist, das diejenigen gerne verwenden, die den Klimawandel nicht als bedrohlich ansehen: Die Natur werde sich schon anpassen, in den Alpen beispielsweise verlagerten sich die Vegetationszonen einfach weiter nach oben.

Dazu ist die Natur jedoch zu komplex. So breitet sich die Zirbelkiefer, die immerhin bis zu 1.000 Jahre alt werden kann, nicht selbst aus. Der Baum markiert in vielen Bergregionen die Baumgrenze. Er müsste angesichts des Klimawandels weiter oben angesiedelt werden. Forscher der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft haben jetzt herausgefunden, dass er das nicht alleine kann. Denn den Samen verteilt der Tannenhäher, indem er die Nüsschen der Kiefer als Futtervorrat versteckt. Nur sieht der Vogel bislang keinen Grund, ebenfalls höher zu wandern.

Von unten drängen aber Baumarten nach, denen die Bedingungen in der Höhe bislang zu rau waren. Sollten sie die Zirbelkiefer verdrängen, besteht keine Ausweichmöglichkeit. Damit stirbt nicht nur eine Baumsorte aus, sondern auch eine Tradition. Die Zirbenstube, die gute Stube alpenländischer Häuser, ist dann nur noch im Museum zu sehen. Doch für solche Besuche werden die Menschen angesichts ihres Kampfes um Nahrung dann ohnehin keine Zeit mehr haben.

Quelle: http://bizz-energy.com, 29.11.2017

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